Frankreich : gegen die Überwachung, die Knäste und die Autorität – Einige Angriffe in der Zeit der Ausgangssperre

In dieser Zeit der Ausgangssperre finden einige Aktionen und Brandangriffe, die sich gegen den Staat und seine Strukturen richten, in verschiedener Städte in Frankreich statt.

Hier nun einige Übersetzungen mehrerer Erklärungen :

Marseille: «Snif snif SNEF» – Brandstiftung auf einen Mitarbeiter der Freiluftgefängnis – 17/03/20 Da die soziale Kontrolle in Marseille (wie auch anderswo) zunehmend verstärkt wird und sich die Kameras und weitere Überwachungseinstellungen ausbreiten, wird die SNEF-Firma zu einem Hauptziel in unserem Kampf gegen staatliche Belästigungen. Wenn diese allerdings dafür bekannt sind, dass sie sich mit allen Arten von Baustellen befassen (Sie haben sicherlich ihre Namen auf viele Bauarbeiten bemerken können, die dem beschleunigten Gentrifizierungsprozess in Marseille beitragen), dann sind sie ebenfalls einer der großen «Gewinner» und Mitarbeiter der Stadtpolitik, die versucht, beträchtlich das Kamerasnetz zu erweitern. In der Nacht zum 17. März, einen Tag vor der Verhängung der Ausgangsbeschränkung, beschlossen wir, ihnen einen Anstandsbesuch in einem ihrer Büros abzustatten und einen Teil ihrer brennenden elektrischen Infrastruktur zurückzulassen. Eine Woche später wurde auch eines ihrer Autos im Stadtzentrum und in der Zeit der Ausgangssperre angezündet. Diese Brandangriffe sind Teil einer Reihe von Zerstörungen, die sich gegen diese Firma sowie andere Konzerne richteten, die für die Überwachungserweiterung in Marseille verantwortlich sind, darunter eine kleine Anzahl weiterer brennenden Karren und die Sabotage von Glasfaserkabeln und Kameras im Laufe des letzten Jahres. Während sich die Maschen immer enger in diesen Zeiten des pandemischen Wahnsinns zusammenziehen und die Versuche, unser Leben zu enteignen, sich vervielfachen, erscheint uns der Versuch, sich von dem Griff zu befreien, der uns umschliesst, wie ein frischer Luftzug, ein Bruch durch das Bestehende, das uns gefügig machen möchte.

Gegen die Ausgangssperre und die Gesellschaft der Kontrolle.

Amiens : “Nieder mit der Justiz, nieder mit dem Knast, nieder mit dem Staat ! (A)” Brandstiftung in der Zeit der Ausgangsbeschränkung – 01/04/20

In der Nacht zum 1. April wurde ein Brandangriff auf den Strafanstaltsdienst für Eingliederung und Bewährungshilfe (SPIP) in Amiens verübt. Dem Gefängnis gegenüber wurden drei Wagen von SPIP und zwei Gefangenentransporter durch Flammen zerstört. Zwei weitere Autos von SPIP wurden unter der Hitzeeinwirkung beschädigt. Zudem versuchten die Brandstifter(innen), die SPIP-Büros mit einem Benzinkanister in Brand zu setzen. Aber das Feuer ist leider nicht ausgebrochen. An den Wänden des Parkplatzes wurden einige Parolen mit schwarzer Farbe gesprüht, wie “Nieder mit der Justiz, nieder mit dem Knast, nieder mit dem Staat ! (A)”

Marseille : Nieder mit der Ausgangssperre – Soliaktion mit den inhaftierten Geflüchteten im CRA von Canet – 31/03/20

Am Abend des Dienstags [31/03/20] hat eine kleine Gruppe von Menschen gegen die Ausgangsbeschränkungsmaßnahmen verstoßen, um die noch inhaftierten Menschen im Abschiebegefängnis von Canet trotz den Versprechungen der Schließung begrüßen zu gehen. Sie haben Feuerwerke geworfen und geschrien: Liberté! [“Freiheit!”], “Crève la taule” [“Nieder mit dem Knast!”], “les CRA en feu, les keufs au milieu” [Die brennenden Abschiebeknäste, die Bullen inmitten!”] …

Freiheit für alle ! Gegen jede Inhaftierung ! Nieder mit dem Knast !

Besançon : ein Nutzfahrzeug der Stadtverwaltung angezündet – 11/03/20

Brandstiftung kurz vor der Ausgangsbeschränkung. In den frühen Morgenstunden des Mittwochs 11. März in Besançon wird ein Nutzfahrzeug der Stadtverwaltung auf einem Parkplatz im Viertel « des Vaîtes » in Brand gesteckt. Während sich das Coronavirus im Wahlkampf ausbreitete, war es besser, eine Karre der Autorität der Stadt in Brand zu setzen als einer nach dem anderen jedem Kandidaten bei der Stelle des Bürgermeisters* einen Besuch abzustatten. Das Feuer ist ein geeignetes Mittel, um das Virus des Staates und seiner Lakaien einzudämmen.

A.d.Ü:
* ins französisch bedeutet « mai(t)re » gleichzeitig ‘Bürgermeister’ und ‘Chef/Herrscher’.

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Die Heimat zur Hölle!

Wenn die Neonazis des „Dritten Wegs“ am 1. Mai 2020 auf die Straße gehen, um die „Heimat zu bewahren“, dann meinen sie vor allem den Kern ihrer nationalsozialistischen Ideologie. Es geht ihnen letztlich um ihre nationale Identität, die Nation und ihr Volk. Denn Heimat ist seit  jeher ein Kampfbegriff der Nazis, untrennbar vom Konstrukt des Volkes. Das Volk meint in der Sicht der Nazis letztlich die Vorstellung des weißen arische Zwangskollektiv, welches sich über Blut und Boden definiert und die Abweichungen von diesem Kollektiv mit aller Härte verfolgt und sanktioniert. Letztlich mit dem Ziel der deutschen Volksgemeinschaft, nach der sich der Erfurter Verein  des „Dritten Wegs“ und Mieter der Stielerstraße 1 bereits benannt hat. In jener Volksgemeinschaft geht das, was die Neonazis unter Heimat verstehen, auf. Die Individualität des Einzelnen wird aufgehoben und dem Kollektiv gleichgeschalten untergeordnet. In seiner letzten Konsequenz heißt das eben nicht nur die Verfolgung des Fremden, sondern letztlich die Auflösung, also die Vernichtung des Fremden. Es werden keine Differenzen innerhalb der deutschen Volksgemeinschaft geduldet. Wenn die Nazis am 1. Mai unter dem Motto „Ein Volk will Zukunft! Heimat bewahren!“ demonstrieren, dann meint diese Zukunft die Auslöschung eben jener gesellschaftlicher Differenzen. Hier wird die mörderische NS-Ideologie konkret, wenn rigorose Abschiebungen gefordert werden. Hinter Ausbeutung und Armut werden ‚volksfremde Ausbeuter‘ der EU und Großfinanz als Feindbilder stilisiert. Den Ausländern soll ein vermeintlicher „Sozialtourismus“ entzogen werden. Denn hinter den nicht nur von den Nazis geforderten Abschiebungen steht nichts weiter als die Forderung das Fremde aus dem Volkskörper zu entfernen. Sie billigen dabei den Tod der Menschen in Elend oder Krieg und ihr eliminatorischer Antisemitismus bricht sich gegen jene bahn, die sie als Feinde des eigenen ‚Volkes‘ brandmarken.

Heimat vs. kapitalistischer Entfremdung

Der Hype um „Heimat“, „Volk“ und „Tradtion“ kommt nicht von ungefähr, sondern hat seine Ursache in den gesellschaftlichen Zurichtungen der Menschen in den kapitalistischen Verhältnissen.

Das bürgerliche Subjekt im Kapitalismus muss sich den Gegebenheiten des Marktes flexibel anpassen. Gefordert ist eine totale Unterwerfung unter diese Produktionsverhältnisse, die dem Individuum abverlangt in Konkurrenz zu Anderen zu bestehen. Diese Konkurrenz schafft Fremdbestimmung. Dabei wird beim Einzelnen vorausgesetzt genau dies zu bejahen und als eigene Bedürfnisse zu affirmieren. Diese Affirmation von Konkurrenz und Zwanghaftigkeit kann aber nicht verhindern, dass der Druck auf den Individuen spürbar lastet. Bürgerliches Subjekt sein drückt zweierlei aus: Ein Unterworfensein unter die Verhältnisse, aber gleichzeitig auch den Schein wahren zu müssen in diesen Verhältnissen souverän zu sein. Entfremdung pur.

Als Kontrapunkt zum männlich gesetzten bürgerlichen Durchsetzungsubjekt steht die ‚weiblich‘ reproduktive Heimat. ‚Weiblich‘ deshalb, weil sie für Naturgegebenheit, Familie, Schutz, Verwurzelung und Geburt steht. Somit ist der politische Heimatbegriff ein emotional aufgeladener und ebenso moralisch überhöhter. Diese ‚weibliche‘ Verletzbarkeit der Heimat fordert ‚männliche‘ Schutzreflexe gegenüber dem vermeintlichen Zugriff durch das bedrohlich  erscheinende universelle Fremde. „Hol dir dein Land zurück!“ oder „Die Heimat verteidigen“ sind emotionale Aufrufe zum Heimatschutz. Sie sind fester Bestandteil der nationalen, nationalistischen und faschistischen Mobilmachung. Diese richtet sich aktuell gegen Geflüchtete, jüdische Menschen sowie gegen ‚Volksverräter‘ und ‚linksgrün versiffte Gutmenschen‘.

Dabei ist die so politisch definierte Heimat selber fremdbestimmt. Sie ist dem Individuum als von Geburt und Abstammung an gegebenes Schicksal ohne eigenes Zutun gesetzt. Das ist der Kern des völkischen Zwangskollektivs. Der Heimatbegriff qua Geburt und Abstammung ist ein völkischer.

Heimat verbindet auch Linke

Doch viele Linke und die Zivilgesellschaft erkennen dies nicht und versuchen lieber den politischen Kampfbegriff ‚Heimat‘ vor einem angeblichen Missbrauch von rechts zu schützen. Statt „deutsch“ ist Erfurt dann eben „bunt“. Auch Bodo Ramelow will sich seine Heimat „von keinem Nazi wegnehmen“ lassen. Innerhalb dieser Vorstellungen steckt jedoch lediglich die Verharmlosung und Übernahme von Begrifflichkeiten, die bereits ihre eigene Bedeutungen mit sich bringen.

Wer von ‚Volk‘ und ‚Heimat‘ schwadroniert, übernimmt damit zwangsläufig Begrifflichkeiten eines nationalistischen und völkischen Rollbacks. Kritik an der Ideologie der Nazis sollte nicht über eine identitäre Abgrenzung und Standortpolitik erfolgen, sondern die gesellschaftlichen Ursachen für Ohnmacht und Entfremdung herausstellen. In einer Welt, die sich stetig verkompliziert und einer allumfassenden Ohnmacht der kapitalistischen Verhältnisse, einer Entfremdung und sozialer Desintegration gegenüber steht, ist die ‚Heimat‘ die falsche Antwort auf die falschen Verhältnisse. Mittels Übernahme des politischen Heimatbegriffs von links und seiner Standortschützer der ‚staatlichen Antifa‘ wird das eigene reaktionäre Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Authentizität befriedigt.

Die Heimat zur Hölle!

„Volk“ und „Heimat“ bieten keine Antwort auf die kapitalistischen Verhältnisse und das Ideal, des Idyllischen und Beschaulichen als Rückzugsort vor dem Sturm draußen, ist nur eine Illusion. In ihm steckt die Versöhnung mit diesen Verhältnissen, denn es verdeckt die materiellen Ursachen der Entfremdung.

Wenn am 1. Mai 2020 der “Dritte Weg” aufmarschiert, dann wollen wir nicht nur die alten Phrasen vom Kampf gegen Nazis und für ein buntes Deutschland wiederholen. Wir sagen klar, dass es eine befreite Gesellschaft, ohne Ausbeutung und Unterdrückung, nur geben kann, wenn Deutschland und Nationalstaaten abgeschafft und der Kapitalismus überwunden ist. Dass wir davon weit entfernt sind, hält uns nicht davon ab unsere Kritik an ihrer „Heimat“ anzubringen und am 1. Mai nicht nur den Nazis das Leben schwer zu machen. Für den 1. Mai gilt es den Spagat hinzubekommen zwischen dezentralen Aktionen und sich gleichzeitig dagegen zu verwehren, Teil eines abgekarterten Spiels der Zivilgesellschaft zu sein. Denn letztlich wollen wir mit unseren Aktionen nicht den Ruf Erfurts retten, die Demokratie verteidigen oder uns der sozialdemokratischen Landesregierung in ihrer „bunt statt braun“-Propaganda anbiedern.

Kommt am 1. Mai 2020 nach Erfurt und organisiert dezentrale Aktionen! Der „Dritte Weg“ ist dabei nur ein Aufhänger für uns um auf die Straße zu gehen. Die Heimat zur Hölle!

https://erstermai2020.noblogs.org

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Aufbruch statt Ausgangssperre

Ein aktueller Anlass

Covid-19 hält die Welt fest im Griff. Die soziale Kälte, die diese Welt ausstrahlt, scheint sich einem neuen Höhepunkt anzunähern. Mit neuen Gesetztesverschärfungen und der Prämisse, die Wirtschaft am Leben zu halten, anstatt unser soziales Umfeld zu stabiliseren, ist die Reaktion der Regierungen und ihrer Repressionsapparate schon längst festgezurrt. Während in Frankreich Kondom- und Weinregale sich leeren – mit Freude in die Endzeitstimmung – wird sich hierzulande um Klopapier gekloppt. Immer neue Begriffe versuchen die Superlative dieser “Krise” zu manifestieren. Dabei vergessen wir schnell, dass eine Krise nicht in den dynamischen, teilweise umweltbedingten Abläufen besteht, sondern in den durch die Administrationen und Hierachien aufgebauten sich tagtäglich selbst reproduzierenden krisenhaften Zuständen fusst. Covid-19 ist nicht die Krise, sondern unser Umgang damit. Kämpfen wir also gegen das unzumutbare “Krisen”-Management der Regierungen, gegen die Aufrechterhaltung der kapitalistischen und bürgerlichen Ordnung. Sie rettet uns nicht vor Covid-19. Nur wir selbst können das und gleichzeitig unsere sozialen Netze stärken!

Für eine kleine Perspektive in der Perspektivlosigkeit

Diese Kälte ist es, die uns angetrieben hat, mehr Öffentlichkeit auf unseren eigenen Kommunikationswegen zu schaffen, die es zu stärken gilt. Keine Redaktionsregeln, keine Twittersperren und all diese Scheisse! Dennoch sollten wir dazu gestehen, dass die Idee schon länger präsent ist, wieder verstärkt Informationen zu bündeln, Texte zu vermehren und Kämpfe zu verbinden. Covid-19 ist da eher ein verstärkendes Element und dennoch sollten wir nicht vergessen, dass wir unsere politischen Ambitionen nicht zu sehr auf aktuelle Hysterien und “Krisen”-Diagnosen beziehen, sondern weiter unbeirrbar diese todbringende Gesellschaftsordnung angreifen.

Dieser neue Blog soll also ein Sammelsorium unterschiedlicher anarchistischer Inhalte und Praxis in Weimar darstellen. Regionale Aspekte werden hier eine vordergründige Rolle spielen, gepaart mit Kämpfen, ihren Strategien und Texten, mit denen wir uns über die Grenzen hinaus tief verbunden fühlen.

Nach dieser kleinen, verwirrten Einleitung geht’s hier zum Selbstverständnis, das die Struktur und Ziele dieser Seite verdeutlichen soll.

Grüße und scheiss auf eure Ausgangssperren! Ihr Schweine!

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